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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 794/06
Rechtsgebiete: BGB, BAT, DSK/ÖTV, ArbGG, ZPO, TV-D


Vorschriften:

BGB § 305 c Abs. 2
BAT § 70
DSK/ÖTV § 17
ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 69 Abs. 2
ZPO § 160 Abs. 4
ZPO § 519
ZPO § 520
TV-D § 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Aktenzeichen: 6 Sa 794/06

Entscheidung vom 23.03.2007

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 05.09.2006 - 3 Ca 1089/06 verb. mit 3 Ca 293/04 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Tariflohnerhöhung sowie eine tarifliche Einmalzahlung an die Klägerinnen weiterzugeben.

Die Klägerin zu 1) ist bei der Beklagten seit 01.08.1988 als Pflegehilfskraft mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit vom 19,25 Stunden und einer Monatsvergütung von 1.072,58 EUR brutto tätig.

Die Klägerin zu 2) war vom 01.11.1994 bis zum 30.09.2005 als Altenpflegerin mit einer regelmäßigen Arbeitszeit vom 28,87 Stunden pro Woche und einer Monatsvergütung von 1.704,80 EUR brutto beschäftigt.

Der jeweilige schriftliche Arbeitsvertrag enthält in § 5 eine Regelung zur Vergütung, die eine bestimmte Vergütungsgruppe/ -stufe, einen Ortszuschlag und eine allgemeine Zulage vorsieht. § 13 bzw. § 14 der Arbeitsverträge verweisen wegen im Arbeitsvertrag nicht enthaltener ausdrücklicher Regelungen auf die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der D. in Rheinland-Pfalz und der G., B. Rheinland-Pfalz. Dieser Tarifvertrag verweist wiederum in dessen § 5 auf verschiedene Tarifverträge zum BAT, insbesondere den Vergütungstarifvertrag.

Durch den 35. Vergütungstarifvertrag zum BAT wurden die Grundvergütung, der Ortszuschlag und die allgemeine Zulage unter anderem für die Vergütungsgruppe KR I - KR XI ab dem 01.01.2003 um 2,4%, sowie ab dem 01.01.2004 und dem 01.05.2004 jeweils erneut um 1% erhöht. Weiterhin ist eine Einmalzahlung in Höhe von 7,5% der Vergütung des Monats Dezember 2002, höchstens 185 EUR für den März 2003 vereinbart.

Mit ihrer zum Arbeitsgericht erhobenen Klage begehren die Klägerinnen die Zahlung des erhöhten tariflichen Entgelts ab Januar 2003 bis einschließlich Dezember 2005 - so die Klägerin zu 2) - bzw. bis einschließlich April 2006 - so die Klägerin zu 1) - sowie die tariflichen Einmalzahlungen für März 2003.

Die Klägerinnen haben erstinstanzlich vorgetragen,

seit Beginn ihrer Beschäftigung hätten sie, wie auch alle übrigen Beschäftigten, immer regelmäßig entsprechend den Erhöhungen im öffentlichen Dienst von der Beklagten Gehaltserhöhungen im Rahmen der jeweiligen Regelung im Vergütungstarifvertrag erhalten.

Die Klägerinnen haben erstinstanzlich beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 413,58 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 128,71 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

3. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) an rückständiger Vergütung für den Zeitraum vom 01.05.2004 bis einschließlich 30.04.2006, 838,31 € brutto nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinsatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu bezahlen.

4. Die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 627,98 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. Die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 204,58 € brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

6. Die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Klägerin eine rückständige Vergütung für den Zeitraum vom 01.05.2004 bis einschließlich 30.09.2005, 985,32 € brutto nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 15.03.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich erwidert, der BAT sei bei ihr nicht gelebt worden. Erhöhungen seien nicht nach Lebensalter, sondern nach Berufsjahren erfolgt. Als Berufsjahre seien nur die D.-Zeiten anerkannt worden. Gruppenerhöhungen und Bewährungsaufstiege seien nicht nachvollzogen worden. Die Benennung der tariflichen Vergütungsgruppe in § 5 des Arbeitsvertrages habe lediglich die Bedeutung, die Vergütungsgruppen zu erläutern. Es handele sich um eine statische Verweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgericht Mainz vom 05.09.2006, Az: 3 Ca 1089/06 verb. 3 Ca 293/04 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil den Klagen auf Zahlung der tariflichen Erhöhungen durch den 35. Vergütungstarifvertrag voll entsprochen, da der Anspruch einzelvertraglich begründet sei. Die Regelung der monatlichen Vergütung sei in den beiden Verträgen konkret beziffert und enthielte gleichzeitig das Kürzel "KR IV/1" bzw. "X/1", was der Benennung der Vergütungsgruppe sowie Stufenzugehörigkeit im Vergütungstarifvertrag zum BAT entspräche; diese Regelung bedürfe der Auslegung, Es sei auf die Entscheidung des BAG vom 09.11.2005 - 5 AZR 128/05 zu verweisen, die nicht behebbare Zweifel an der Auslegung einer inhaltlich vergleichbaren Klausel angenommen und unter Anwendung der Zweifelsregelung des § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten eine zeitdynamische Verweisung gesehen habe. In diesem Urteil habe sich das BAG mit den von der Beklagten angeführten Entscheidungen ausreichend auseinandergesetzt. Im übrigen habe die Beklagte im Kammertermin vom 17.06.2004 auf die Geltendmachung von Ausschlussfristen verzichtet. Eine Auslegung der Erklärung der Beklagten ergäbe, dass auch künftig fällig werdende Erhöhungsbeträge erfasst würden.

Gegen das der Beklagten am 13.09.2006 zugestellte Urteil richtete sich deren am 10.10.2006 eingelegte und am 13.12.2006 begründete Berufung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Die Beklagte bringt zweitinstanzlich im Wesentlichen weiter vor,

sämtliche Ansprüche seien nicht geltend gemacht worden, sodass ein Verfall nach § 70 BAT, der über § 17 und den Tarifvertrag DSK/ÖTV Anwendung fände, eingetreten sei. § 5 des Arbeitsvertrages sei eindeutig; das bezifferte Arbeitsentgelt sei eine Konstante. Die Zuschläge stellten nur einen Teil der nach dem BAT möglichen Zuschläge dar. Nur hinsichtlich der Höhe solle eine Bindung an den BAT gegeben sein. Aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 09.02.2005, in welcher festgestellt worden sei, dass kein Anspruch auf eine Tariflohnerhöhung aus dem Arbeitsvertrag folge, ergäbe sich wegen vergleichbarer Regelungen in den hiesigen Arbeitsverträgen kein Anspruch. Die Angabe der KR-Vergütungsgruppe/ -stufe habe nur den Sinn gehabt, Fachkräfte zu rekrutieren. Insofern sei dieser Zusatz eine Orientierungshilfe für Mitarbeiter, die dieses Vergütungssystem ggf. von einem früheren Arbeitgeber kennen würden. Auch der übrige Arbeitsvertrag belege, dass keine zeitdynamische Vergütung nach dem BAT gewollt gewesen sei. Es sei ferner zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht tarifgebunden gewesen sei. Der BAT sei nicht gelebt worden. Es seien ausschließlich die Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit weiter gegeben worden. Auch sei einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.11.2002 zu entnehmen, dass die Weitergabe von Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit ohne erheblich weitere Umstände letztlich nicht entscheidend sei. Im Hinblick auf das AGG seien die Normen des BAT, die unterschiedliche Vergütungen im Hinblick ausschließlich auf das Lebensalter zuließen, nicht anwendbar.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23.05.2006 - 3 Ca 786/06 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen haben

Zurückweisung der Berufung

beantragt;

sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung und werten das Sichberufen der Beklagten auf Ausschlussfristen als rechtsmissbräuchlich. Der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des BAG vom 09.02.2005 sei nicht einschlägig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.12.2006 (Bl. 206 bis 211 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 13.03.2007 (Bl. 240 d. A.) und hinsichtlich der Berufungsbeantwortung auf den Schriftsatz der Klägerinnen vom 16.02.2007 (Bl. 232 bis 235 d. A.) und sämtlich vorgelegte Unterlagen sowie die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Sie ist insgesamt zulässig.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht ist im angefochtenen Urteil vom 05.09.2006 zu Recht zu der Auffassung gelangt, dass die Beklagte die aufgrund des 35. Vergütungstarifvertrages entstandenen Differenzvergütungen im tenorierten Umfang an die Klägerinnen weiterzugeben hat.

Die Klägerinnen haben einen vertraglich begründeten Anspruch auf Zahlung der tariflichen Erhöhungsbeträge in genanntem Umfang und auf die Einmalzahlung gemäß §§ 5, 14 des Arbeitsvertrages der Parteien in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT. Die Berufungskammer folgt insoweit der ausführlichen und zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichtes im angefochtenen Urteil (Bl. 5 - 10 der Entscheidungsgründe = Bl. 154 - 159 d. A.) und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.

Lediglich wegen der Angriffe der Berufung besteht Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

1.

Soweit die Berufung einen Verfall der Ansprüche nach § 14 TV-D. in Verbindung mit § 70 BAT mit der Begründung annimmt, sämtliche Ansprüche seien nicht geltend gemacht worden, kann dem nach der gegebenen Sachlage nicht gefolgt werden.

Das Arbeitsgericht hat nämlich aus der im Protokoll der Kammersitzung vom 17.06.2004 enthaltenen Feststellung "im Übrigen erklärt die Beklagtenvertreterin, sie werde auf die Geltendmachung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verzichten sowie auf die Einrede der Verjährung" zu Recht gefolgert, dass eine Auslegung dieser Klausel auch künftig fällig werdende Erhöhungsbeträge umfasst. Dies ergibt sich aus den insoweit eindeutigem Wortlaut der nach § 160 Abs. 4 ZPO aufgenommenen Erklärung. Hinzu kommt vorliegend, dass zumindest die Klägerin zu 2.) das an die Beklagte gerichtete Schreiben vom 12.05.2003 vorgelegt hat, aus welchem sich eindeutig die Geltendmachung der Erhöhung rückwirkend zum 01. Januar 2003 sowie der Einmalzahlung in bestimmter Höhe ergibt. Den Behauptungen, dass auch die Klägerin zu 1.) ein entsprechendes Geltendmachungsschreiben verfasst hat, ist die Beklagte nicht mit qualifizierten Einwänden entgegengetreten.

2.

Soweit die Berufung auf ihrer bereits erstinstanzlich vertretenen Auffassung zu § 5 des Arbeitsvertrages festhält, das dort bezifferte Arbeitsentgelt sei eine Konstante, folgt die Berufungskammer den Feststellungen im Urteil des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 11.12.2005 - 5 AZR 128/05 -. Wenn die Beklagte in § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages der Beklagten zu 2) die Vergütungsbestimmungen KR IV/1 der Anlage 1 c zum BAT für das Krankenpflegepersonal des öffentlichen Dienstes aufführt und sogleich auch hinsichtlich der angeführten Zuschläge auf die Bestimmungen des BAT verweist, kann der Hinweis auf die Vergütungsgruppe /- KR durchaus auch als dynamische Verweisung verstanden werden. Gleiches gilt für die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die Vergütungsgruppe /-stufe X/1 bei der Klägerin zu 1).

3.

Soweit die Berufung schließlich auf das Judikat des Bundesarbeitsgerichts vom 09.02.2005 - 5 AZR 284/04 - abhebt, wird übersehen, dass die dortige Entscheidung auf eine vorliegend nicht in Rede stehende betriebliche Übung zur Übernahme von Tariflohnerhöhungen abstellt.

4.

Die Berufung vermag auch nichts aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.11.2002 - 4 AZR 351/01 - für sich zu gewinnen, da nach dem dortigen Sachverhalt die Formulierung gewählt war: "Das Gehalt wird in Anlehnung an den BAT (für Gemeinden), Vergütungsgruppe IV a frei vereinbart......" Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine "Anlehnung" an einen Tarifvertrag, sondern darum, dass die Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden im vorliegenden Fall zu nicht unerheblichen Zweifeln am Auslegungsergebnis führt und letztlich über die sogenannte Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten. Dies hat zur Folge, dass eine zeitdynamische Verweisung anzunehmen ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der vorerwähnten Entscheidung vom 09.02.2005 (a. a. O.) auch mit der von der Berufung erneut angeführten Entscheidung von November 2004 - 5 AZR 622/03 - auseinandergesetzt und einen anderen Sachverhalt als Grund für deren Nichtheranziehbarkeit angegeben, in dem es ausführt, dass die Lohngruppe in den dortigen Fall nicht in einen Arbeitsvertrag, sondern in den Lohnabrechnungen angegeben war.

5.

Schließlich vermag auch der Hinweis auf die nicht gegebene Tarifgebundenheit der Beklagten nicht zu einem anderen Urteil führen, weil es vorliegend allein auf die arbeitsvertragliche Gestaltung und deren Widersprüchlichkeit bei einer Bezugnahme auf ein Tarifwerk ankommt. Dass der 35. Vergütungstarifvertrag ausschließlich auf das Lebensalter für die vereinbarte Vergütungserhöhung abstellt, bleibt ohne Substanz und führt daher - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht zu dessen Unanwendbarkeit.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung sind nach den hierfür maßgeblichen Gesetzen des § 73 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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